Aus meinen Coachings in den vergangenen 15 Jahren weiß ich, dass Führungskräfte der mittleren Führungsebene oft das Gefühl haben, zwischen den Anforderungen der Geschäftsleitung und den persönlichen Bedürfnissen der eigenen Mitarbeiter zerrieben zu werden. Sie arbeiten mit engen Vorgaben und begrenzten Ressourcen und versuchen die Interessen des Unternehmens und die Fähigkeiten und das Wohlbefinden der Mitarbeiter miteinander in Einklang zu bringen.
Die mittlere Führungsebene, also Führungskräfte, die ein oder zwei Hierarchiestufen unter der Geschäftsführung angesiedelt sind und direkt Fachkräfte und Mitarbeiter führen, leisten wertvolle Beiträge – besonders bei der Realisierung von Veränderungen. Kurioserweise wird von Beratern oft vor diesen Führungskräften gewarnt. Sie seien angeblich ein Bollwerk gegen Veränderungen und wenig flexibel und kreativ …
Dabei ist das Gegenteil der Fall!
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Mittlere Führungskräfte haben häufig unternehmerische Ideen.
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Sie können jene informellen Netze in ihrem Unternehmen nutzen, die substanzielle, nachhaltige Veränderungen erst ermöglichen.
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Und sie sind empfänglich für Stimmungen der Mitarbeiter und deren emotionale Bedürfnisse und können so dafür sorgen, dass die Bemühungen um einen Wandel vorankommen.
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Sie können mit der Spannung zwischen Kontinuität und Veränderung fertig werden.
Mittlere Führungskräfte übernehmen vier wichtige Schlüsselrollen im Unternehmen:
1. Die Rolle als Unternehmer im Unternehmen
Führungskräfte der mittleren Führungsebene sind dicht dran am Alltagsgeschäft, den Kunden und den ausführenden Mitarbeitern und sie wissen besser als sonst jemand, wo die Probleme liegen. Aber sie sind auch weit genug davon entfernt, um das „Große Ganze“ zu sehen, neue Problemlösungsmöglichkeiten zu entdecken und Wachstumsideen anzustoßen.
In der Regel ist die Zusammensetzung der Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene heterogener als die der oberen oder obersten Führungsebene, hinsichtlich Berufserfahrung, Herkunft, Geschlecht und ethnischem Hintergrund. Dies ist ein fruchtbarer Boden für kreative Ideen des Wachsens und der Veränderung.
2. Die Rolle als Kommunikator
Die Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene sind oft wichtige Multiplikatoren. Wenn es darum geht die Mitarbeiter einzubinden und mitzunehmen in die Richtung, in die sich das Unternehmen entwickeln soll, verfügen sie in der Regel über die besten persönlichen Verbindungen zur Belegschaft. Sie wissen, wer über was Bescheid weiß und wie man Vorhaben am besten umsetzen kann; sie haben informelle Netzwerke, die ihnen Einfluss verleihen. Die Netzwerke der mittleren Führungskräfte sind meist sehr wirkungsvoll, da sie sich oft im Unternehmen hochgearbeitet haben und länger im Unternehmen sind als obere Führungskräfte.
Führungskräfte der mittleren Führungsebene wissen am besten, welche Gruppen oder Personen eingebunden werden müssen, und wie Botschaften für unterschiedliche Empfängergruppen am besten zu übermitteln sind. Wenn sie von einem Vorhaben überzeugt sind, dann gelingt es ihnen, andere im Unternehmen, auch und vor allem die zweifelnden oder misstrauischen Mitarbeiter, auf subtile und nicht bedrohliche Art und Weise mitzunehmen. Sie besitzen die kulturellen Dolmetscherfähigkeiten, um eine notwendige Veränderung zu „verkaufen“ und die Botschaften für den Einzelnen überzeugend werden zu lassen.
3. Die Rolle als Therapeut
Menschen sind häufig beunruhigt, wenn Veränderungen stattfinden; Unsicherheit kann zum Absinken der Arbeitsmoral führen und Ängste hervorrufen, die schließlich zum absoluten Stillstand führen können.
Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene können durch eine Vielzahl von Maßnahmen auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter eingehen und psychologische Sicherheit im Arbeitsumfeld schaffen. Sie kennen die Menschen in ihrem Umfeld und sie können direkt und persönlich mit ihnen sprechen – ohne verschwommene und ausweichende Sprache.
Ein Mitarbeiter fragt sich möglicherweise, ob eine neue Ausrichtung des Unternehmens wirklich in die richtige Richtung führt; ein anderer mag beunruhigt sein, weil er oder sie durch eine Veränderung Nachteile im täglichen Arbeitsalltag für sich selbst befürchtet. Die Führungskraft auf der mittleren Führungsebene nimmt sich in der Regel dieser Anliegen an.
4. Die Rolle als Drahtseil-Artist
Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene vollführen in der Regel den Drahtseilakt zwischen Kontinuität, d.h. das Alltagsgeschäft am Laufen halten, und Veränderung, d.h. das Neue wagen. Sie empfinden sich als Problemlöser, die auch mal gerne die Ärmel hochkrempeln und die dafür sorgen, dass im Tagesgeschäft alles rund läuft.
Eine besondere Herausforderung in vielen Unternehmen ist es, auf der einen Seite wichtige Werte, Fähigkeiten und Motivation aufrecht zu erhalten, aber auf der anderen Seite gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Veränderungen realisiert werden können. Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene haben ein sehr gutes Verständnis für die wirklich wichtigen Werte und Kernkompetenzen im Unternehmen. Meist ist das so, weil Führungskräfte auf der mittleren Führungsebene über ein besonders hohes Maß an Loyalität verfügen.
Natürlich ist nicht jede mittlere Führungskraft in jeder Organisation ein Muster an unternehmerischer Vitalität und Energie. Firmenchefs, die jedoch übersehen, welche Rolle die mittleren Führungskräfte spielen, verringern ihre Aussichten, Veränderungen zu erreichen, beträchtlich. Tatsächlich können mittlere Führungskräfte die wirkungsvollsten Verbündeten der Geschäftsführung sein, wenn es um Veränderungen geht.
Vielleicht werden Sie jetzt den Kopf schütteln und denken: „Bei uns haben diese Führungskräfte nicht den Ehrgeiz und auch nicht den Überblick, Veränderungen zu initiieren und durchzusetzen. Das können wir in der Geschäftsleitung nicht erwarten.“ Damit mögen Sie durchaus Recht haben. Nur, das liegt dann höchst wahrscheinlich nicht an Ihren Leuten, sondern eher an Ihnen selbst. Manche Geschäftsleitungen versäumen es, den Führungskräften auf der mittleren Ebene wirklich zuzuhören. Ihre Ideen verpufften, ehe sie überhaupt an die Spitze des Unternehmens gelangten. Ergebnis: es werden keine Vorschläge mehr gemacht und zudem wird die mittlere Führungsebene zusehends demotivierter!
Ein Firmenchef, der sich die Mühe macht, die einflussreichsten mittleren Führungskräfte in einer Organisation zu entdecken, zu respektieren und fair mit ihnen umzugehen, wird treue Verbündete gewinnen – und die Chancen verbessern, schwierige, aber notwendige organisatorische Veränderungen herbeizuführen.
Wie erkennen Sie effektive mittlere Manager?
Sie sollten im Unternehmen auf mittlere Führungskräfte achten, die folgende Qualitäten aufweisen:
Halten Sie Ausschau nach konstruktiven Kritikern. Sie brauchen als Geschäftsführung Leute, die konstruktiv Kritik üben können, anders als jene eingefleischten Neinsager oder Verfechter des Status quo. Die einen sind von den anderen einfach zu unterscheiden. Neinsager finden ständig Gründe, warum eine vorgeschlagene Veränderung zu nichts führen wird, aber nur selten, wenn überhaupt, können sie einen Gegenvorschlag vorbringen und mit Argumenten untermauern. Ganz im Gegensatz dazu sagen konstruktive Kritiker: „Mir gefällt Ihr Veränderungsvorschlag nicht, und zwar aus folgenden Gründen… Lassen Sie mich etwas anregen, mit dem Sie dieselben Ergebnisse erreichen können, jedoch um einiges müheloser.“
Halten Sie Ausschau nach Leuten mit informeller Macht. Der Einfluss solcher Führungskräfte reicht weit über ihren offiziellen Kompetenzbereich hinaus; das sind Leute, deren Rat und Unterstützung von allen in ihrem Umfeld hochgeschätzt werden. Sie haben sich innerhalb der Organisation einen großen Rückhalt aufgebaut, bilden den Mittelpunkt eines großen informellen Netzes. Sie können gute Botschafter von Veränderungen werden.
Achten Sie darauf, mittlere Führungskräfte wertzuschätzen und auch weiterzubilden! Mit diesen Führungskräften an Ihrer Seite haben Sie die Kraft, Ihr Unternehmen, Ihre Organisation stetig zu entwickeln!
Sprechen Sie mich gerne an!
Uta Steinweg
Literatur:
Harvard Businessmanager, 2002 Quy Nguyen Huy
CoachingOurselves Modul, In Praise of the Middle Management